Textilbewehrte Brücke im Großversuch
Prototyp im Belastungsversuch - Realisation für die Landesgartenschau 2006
Richter, Thomas
Innovationen im Betonbau ergeben sich oft, wenn die Grenzen der traditionellen Bauweise überschritten werden und Erfahrungen anderer Fachgebiete integriert werden. Flächige Textilien aus Glasfasern für dünne und damit leichte Betonkonstruktionen zu verwenden verbindet die Nutzung von leichten, leistungsfähigen faserverstärkten Kunststoffen aus dem Fahrzeug- und Flugzeugbau mit den Vorteilen des preiswerten, robusten und dauerhaften Baustoffs Beton. Alkaliresistente Glasfasern benötigen nicht die Schutzfunktion einer Betondeckung wie bei Stahlbewehrung. – Seit ca. zehn Jahren forscht das Institut für Tragwerke und Baustoffe der Technischen Universität Dresden auf dem Gebiet des Textilbetons. Seit 1999 unterstützt die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Forschungen durch einen Sonderforschungsbereich. – Zukunftsträchtige Anwendungen von textilbewehrten Betonen ergeben sich z.B. bei der Verstärkung von Stahlbetonbauteilen oder für dünnwandige Platten im Fassadenbereich, für die es bereits erste Praxisanwendungen gibt. Wie leistungsfähig solche Konstruktionen sein können, bewiesen in den letzten Jahren auch textilbewehrte Betonkanus mit Wanddicken von weniger als 4 mm. Sie erzielten bei Betonkanuregatten mehrfach Preise. – Um Betoninnovationen erstmals für Ingenieurbauwerke anzuwenden, bieten sich Fuß- und Radwegbrücken an. Bei kleinen Abmessungen können Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Dauerhaftigkeit nachgewiesen werden. Gleichzeitig kommen die Möglichkeiten schlanker Bauteile besonders zum Tragen, da die Belastungen vergleichsweise gering sind. Im Rahmen der Vorbereitungen für die sächsische Landesgartenschau 2006 in Oschatz bot sich die Möglichkeit, eine 8,6 m lange und 3,1 m breite Brücke über das Flüsschen Döllnitz in die Gartenschau zu integrieren und zu zeigen, dass Gartenschauen mehr als Blumenbeete bedeuten. – Zur Realisierung des Projekts fanden die Forscher der TU Dresden mit dem Fertigteilwerk Oschatz einen leistungsfähigen Praxispartner und mit der Stadt Oschatz einen interessierten Auftraggeber. Als gewerbliches Bindeglied an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis fungiert die Gesellschaft für Wissens- und Technologietransfer der TU Dresden. – Das Tragwerk der Brücke wird durch eine U-förmige Schale, statisch ein Einfeldträger, gebildet. Um Herstellung und Transport zu vereinfachen, wurde eine Segmentbauweise gewählt, d.h. 90 cm lange Schalensegmente werden vorgefertigt und im Werk zusammen gespannt. Montagezeiten auf der Baustelle verringern sich auf ein Minimum. Schalungstechnisch ist nur eine Form erforderlich, da alle Segmente die gleichen Abmessungen haben. – Als Beton kommt ein Feinkornbeton mit einem Größtkorn von 2 mm zum Einsatz. Der äquivalente Wasserzementwert liegt bei 0,25. Damit können Druckfestigkeiten von 75 N/mm² und Biegezugfestigkeiten von 7 N/mm² bei einem E-Modul von 28500 N/mm² realisiert werden. Als Bewehrung werden mit einer Nähwirktechnik hergestellte biaxiale Gelege aus alkaliresistenten Glasfasern verwendet. Die Abstände der rechtwinklig zueinander verlaufenden Faserbündel (Rovings) mit einer Feinheit von 2400 tex betragen 10,8 mm. 1 tex entspricht dabei einer spezifischen Masse von 1 g/km Rovinglänge. Zur Verbesserung der Dauerhaftigkeit, der Erhöhung der Glasfestigkeit und zur besseren Formbeständigkeit werden die Glasfasergelege polymer beschichtet. Die Verspannung der einzelnen Segmente zum Brückentragwerk erfolgt mit externen verbundlosen Monolitzen, die in Leerrohre in den Handläufen und den Schalenecken eingezogen werden. Die Leistungsfähigkeit zeigt auch ein Vergleich mit einer Stahlbetonbrücke: die Masse der Textilbetonbrücke beträgt nur rund ein Fünftel (d.h. 5 t). – Für die Brücke ist eine bauaufsichtliche Zustimmung im Einzelfall erforderlich. Dazu wurden im Labor der TU Dresden Belastungstests bis zum Versagen an einem Prototyp der Brücke im Maßstab 1:1 durchgeführt. Noch in diesem Jahr wird die Brücke für die Landesgartenschau im Betonwerk Oschatz vorgefertigt und auf dem Gelände der Landesgartenschau aufgestellt. – Textilbewehrte Betone können den Anwendungsbereich für Betonkonstruktionen erweitern und ergänzen. Bauteile, bei denen hohe Lasten abzutragen sind, werden weiterhin dem Stahl- und Spannbeton vorbehalten sein. –
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beton 5/2005 ab Seite 251
Herausgeber des Artikels:
beton
bis beton 4/2022: Verlag Bau+Technik GmbH
ab beton 5/2022: Concrete Content UG
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