Entscheidungshilfen für die Planung von Anlagen zum naßmechanischen Recycling von Betonrestmassen
Abgeschlossene Promotion
Ressel, Oliver
Bauhaus Universität Weimar – Fakultät Bauingenieurwesen – Professur "Aufbereitung von Baustoffen – und Wiederverwertung" – Coudraystraße 7 – D-99423 Weimar – Disputation:22.03.2004 – – Gutachter:Prof. Dr. - Ing. habil. A. Müller – Prof. Dr. - Ing. W. G. Bargstädt – Prof. Dr. - Ing. W. Poppy – – – Zur Einhaltung umweltgesetzlicher Vorschriften, zur Schonung von Deponieraum sowie zur Einsparung von Gesteinskörnung und Frischwasser werden heute bei der überwiegenden Anzahl der Transportbetonwerke Restbetonrecyclinganlagen eingesetzt. Pro Jahr können durch Restbetonrecycling 3,6 Mio. t Zuschlagstoffe eingespart werden. Es herrscht ein breiter Konsens, dass eine umweltgerechte Produktion von Frischbeton ohne den Einsatz von Restbetonrecyclinganlagen nicht mehr denkbar ist. – Trotz der weiten Verbreitung erfolgt die Planung der Restbetonrecyclinganlagen immer noch durch learning-by-doing, da verfahrenstechnisches Grundlagenwissen nicht vorliegt. Wer an verantwortlicher Stelle die Investition in eine neue oder in die Verbesserung einer bestehenden Restbetonrecyclinganlage beurteilen soll, steht vor einer komplexen Entscheidung, die unter Berücksichtigung unterschiedlichster Kriterien getroffen werden muss. In der Praxis besteht hinsichtlich der Qualitätssicherung der Recyclingprodukte, der Ablagerungen der noch reaktiven Zementpartikel, der Bemessung der eingesetzten Maschinen, der praktikablen Handhabung hinsichtlich einiger Detailprobleme sowie der Anordnung der verfahrenstechnischen Komponenten in Bezug zur Geländeoberkante weitgehend Unklarheit. Das allgemeine Verlangen nach einer durchdachten Entscheidungshilfe und die Notwendigkeit, zu einem sachlich begründeten Urteil zu kommen, macht Entscheidungshilfen für die Planung von Restbetonrecyclinganlagen erforderlich. Insbesondere da Fehlentscheidungen nicht oder nur mit großem Aufwand rückgängig gemacht werden können. – Im ersten Teil der Arbeit wurden die Grundlagen der Recyclingtechnik erläutert. Für das Trennen des Restbetons in Restwasser und Restbetonzuschlag werden in erster Linie mechanische Klassierer mit Auswaschschnecke verwendet. Es kommen aber auch Trommelsysteme, Trogsysteme und Kombinationen aus Auswaschschnecke und Trommel- oder Trogsystemen zum Einsatz. Aufgrund der hohen Einsatzhäufigkeit sind im Rahmen dieser Arbeit Auswaschschnecken untersucht worden. Als weitere verfahrenstechnisch wichtige Komponente von Restbetonrecyclinganlagen muss das Suspendierbecken angesehen werden. In ihm wird das Restwasser mit Rührwerken suspendiert, um Ablagerungen von Feststoffen zu vermeiden. Aus dem Suspendierbecken wird das Restwasser entnommen, um in der Mischanlage neuen Beton herzustellen. – Als weitere Grundlage können die Eigenschaften der Recyclingprodukte und die Führung der Materialströme durch eine empirische Analyse mit Hilfe von Literaturrecherchen, Besichtigungen und dem Studium von betrieblichen Lenkungsprozessen und Qualitätssicherungssystemen beschrieben werden. Das Klassieren des Restbetons kann durch neue Versuchsergebnisse hinsichtlich des Trennverhaltens des mechanischen Klassierers dargelegt werden. Die Restwassersuspendierung ist durch eine neue Modellrechnung beschreibbar. – Im zweiten Teil wurden die Grundlagen für ein allgemeingültiges Ablaufschema zur Entscheidungsfindung besprochen. Das Ablaufschema musste der Anforderung gerecht werden, nicht nur die sehr facettenreichen, objektiven Aspekte der Grundlagen der Restbetonrecyclingtechnik zu berücksichtigen. Es mussten auch subjektive Einschätzungen verarbeitet werden können. Hierfür stellt die Systemwissenschaft mit der Nutzwertanalyse eine im Zusammenhang mit Restbetonrecycling neue Methode bereit, die sich wegen der Möglichkeit der Berücksichtigung multidimensionaler Zielsetzungen für die vorliegende Entscheidungssituation besonders gut eignet. Ausgehend von einem zunächst ungeordneten Zielkatalog wird durch die Gliederung und Ordnung der Ziele ein Zielsystem entwickelt. Die widerspruchsfreie Strukturierung der Ziele in einem Zielsystem ist die zentrale Voraussetzung für eine rationale Entscheidung bei Problemen mit mehrfacher Zielsetzung. Auftretende Interdependenzen zwischen Einzelzielen, wie zum Beispiel Zielkonkurrenz, müssen bei der Bewertung getrennt beurteilt werden. Die Bewertung der Einzelziele erfolgt auf einer der drei grundsätzlich möglichen Skalen. Für das Restbetonrecycling ist eine Unterart der Kardinalskalen anwendbar. Die Verhältnisskalierung mit Hilfe der Methode der sukzessiven Vergleiche berücksichtigt Nutzenunterschiede durch die Ermittlung von nutzenabhängigen Kriteriengewichten. – Im dritten Teil wird die Nutzwertanalyse mit den ermittelten verfahrenstechnischen Grundlagen verknüpft. Hierbei werden quantifizierbare mit nicht quantifizierbaren Projektzielen in einem Ablaufschema vereint. Hierfür wurden 18 maßgebende Entscheidungskriterien entwickelt. Diese Entscheidungskriterien wurden im Rahmen der Nutzwertanalyse als Projektziele entwickelt. Die erarbeiteten Kriterien lassen sich in fünf Kategorien einteilen: – "Kriterien zur Qualitätssicherung bei der Verwendung der Recyclingprodukte – Für die Wiederverwendung der Recyclingprodukte Restwasser und Restbetonzuschlag sind im technischen Regelwerk Verfahrensweisen vorgeschrieben. Hinsichtlich der Prozesse bei der Wiederverwendung konnten deutliche Verbesserungspotentiale aufgezeigt werden. Besonders die Anwendung von online-Dichtemessverfahren im Vergleich zur Aräometermessung verbessert die Lenkungsprozesse zur Qualitätssicherung. Aber auch die weitere Klassierung oder das getrennte Lagern und Dosieren des Restbetonzuschlags im Vergleich zu der im technischen Regelwerk vorgeschriebenen Verfahrensweise des volumetrischen Abschätzens birgt Verbesserungspotential. – "Kriterien zur Minimierung von Ablagerungen – Noch reaktive Zementpartikel kommen zeitweise permanent mit Anlagenkomponenten, Leitungen und Beckeninnenflächen der Recyclinganlage in Berührung. Ablagerungen von Zementpartikeln, die den Betrieb der Anlage behindern, verschlechtern oder sogar verhindern, sind unvermeidbar. Allerdings kann, wie im Rahmen dieser Arbeit gezeigt wurde, eine Minimierung der Ablagerungen durch geeignete Maßnahmen herbeigeführt werden. Die Ablagerungen im Suspensionsbecken lassen sich durch den Zustand der homogenen Suspension sowie durch an das Strömungsbild angepasste Formgebung minimieren. Durch die geeignete Gefällewahl und vor allem durch die korrekte Wahl der Pumpenart können die Ablagerungen in Leitungen minimiert werden. – "Kriterien zur Bemessung der verfahrenstechnischen Apparate – Die Auslegung der Recyclinganlage hinsichtlich der Auswaschleistung, der Rührerleistung und der Größe des Suspendierraumes erfolgt bisher anhand von praktischen Erfahrungswerten. In dieser Arbeit wurde für die Auswaschleistung ein allgemeingültiges Berechnungsmodell hergeleitet. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass die Rührerleistung für das Suspendieren von Restwasser berechnet werden kann. Die Größe des Suspendierraumes kann unter Berücksichtigung der zu- und abfließenden Materialströme ebenfalls berechnet werden. – Das Trennverhalten des mechanischen Klassierers wurde im Rahmen einer Versuchsreihe mit folgenden Ergebnissen ermittelt: – -Die Klassierdurchsätze steigen mit größer werdendem Entleerdurchsatz. Aufgrund der Pufferwirkung des mechanischen Klassierers, bei der die diskontinuierlich in den Aufgabetrichter gefüllte Restbetontrübe (Entleeren) in einem kontinuierlichen Prozess (Klassieren) durch den Trog gefördert wird, nähert sich der Klassierdurchsatz asymptotisch einem Grenzwert an. – -Das Masseausbringen rbz wird signifikant vom Klassierdurchsatz und weniger vom Entleerdurchsatz beeinflusst. – -Die Korngrößenverteilungen des Restbetons, des Restbetonzuschlags und des Restwassers belegen anschaulich den ereichten Trenneffekt. – -Die Trennkorngröße steigt mit zunehmendem Klassierdurchsatz an. Diese Tendenz ist allerdings nur bei Betrachtung des "nassen" Klassierdurchsatzes signifikant erkennbar. Bei Betrachtung des "trockenen" Durchsatzes ergibt sich keine Abhängigkeit. Die Ursache hierfür ist, dass in den "nassen" Durchsatz Prozesse wie Trübeagitation und Feinkornkonzentration indirekt eingehen. – -Der Fehlkornanteil < 125 µm im Restbetonzuschlag steigt ebenfalls mit "nassem" Klassierdurchsatz an. – -Im Unterschied dazu bestehen für den Fehlkornanteil > 125 µm im Restwasser signifikante Abhängigkeiten zu Entleer- und Klassierdurchsätzen. Ursache ist der tote Fluss. – "Kriterien zur Praktikabilität des Anlagenbetriebes – Einige Detaillösungen führen derzeit in der Praxis nicht zu optimalen Ergebnissen. Auf Grundlage der empirischen Untersuchung in dieser Arbeit konnten die maßgebenden Entscheidungskriterien aufgezeigt und somit ein allgemeingültiges Ablaufschema zur Entscheidungshilfe für die Praktikabilität erstellt werden. Damit wurde diese Teilproblematik in allen relevanten Kriterien transparent und einer sachlichen Diskussion zugänglich gemacht. Die Nutzwertanalyse ist die geeignete Methode, die nachfolgenden Parameter miteinander zu verknüpfen und die bestmögliche Variante für den speziellen Einzelfall zu ermitteln: – -Verstetigung der Restwassertemperatur – -Anordnung des mechanischen Klassierers in Bezug zur Geländeoberkante – -Spülwasserzugabe – -Führung der Materialströme MS1 (Restbeton des Fuhrparks), MS2 (Restbeton des stationären Mischers), MS3 (Oberflächenwasser) und MS4 (Restbetonzuschlag). – "Interdependenzen zwischen Anlagenkomponenten – Die Anordnung des mechanischen Klassierers einerseits und des Suspendierbeckens andererseits in Bezug zur Geländeoberkante steht mit sieben Projektzielen in Beziehung. Bei der Analyse dieser Zielbeziehungen konnten in dieser Arbeit Interdependenzen festgestellt werden. Diese sind in einem eigenständigen Projektziel verarbeitet worden, um die bestmögliche Entscheidung für jeden Einzelfall ermitteln zu können. – Ohne die entwickelten Entscheidungshilfen und vor die Aufgabe gestellt, eine Recyclinganlage für Restbeton zu bauen, hat die Entscheidungsperson bisher zunächst verschiedene Angebote von Herstellern eingeholt und verglichen. Auf einen dieser Hersteller fiel die Wahl. Mit den Entscheidungshilfen kann die Entscheidungsperson die konzeptionelle Federführung bei der Planung der Anlage übernehmen. Gerade für den Anwendungsfall des Angebotsvergleiches eignet sich die in dieser Arbeit vorgestellte Methode der Nutzwertanalyse. – Die Auswertung zeigt, dass die Anwendung der Nutzwertanalyse nicht zu einer Optimallösung im mathematischen Sinn führt und der Lösungsweg auf entscheidungstheoretischen Annahmen basiert, die nur bedingt überprüft werden können. Trotzdem bietet die Nutzwertanalyse ein allgemeingültiges Ablaufschema sowohl für quantifizierbare als auch für nicht quantifizierbare Kriterien des Restbetonrecyclings innerhalb einer Entscheidungsanalyse. Sachwissen und wissenschaftliche Methode werden innerhalb der Nutzwertanalyse durch die präferenzgerechte Formulierung von Zielgewichten und Zielwerten miteinander verknüpft. Darüber hinaus werden sachlich begründete Wertungen in allen Auswirkungen sichtbar gemacht und zu einer befriedigenden Gesamtaussage zusammengefasst. Dies wird insbesondere bei den im Anhang 1 dargelegten Praxisbeispielen deutlich. Hierbei wurden drei bestehende Anlagen mit dem in dieser Arbeit entwickelten Schema bewertet. Es konnte gezeigt werden, dass sich die Anlagen optimieren und die Nutzwerte durch einfache Maßnahmen deutlich verbessern lassen. – Zum Ausblick ist zu sagen, dass das Ergänzen der Nutzwertanalyse um ökonomische Ziele empfehlenswert ist. Hierbei muss zwischen Betriebskosten und den Investitionskosten unterschieden werden. Neben den beschriebenen 18 Projektzielen ist die Berücksichtigung der Anschaffungskosten als 19. Ziel bereits heute sehr leicht möglich. Hinsichtlich der Betriebskosten kann man in 1. Näherung unterstellen, dass die technisch beste Lösung mit der betriebswirtschaftlich sinnvollsten Lösung kommuniziert. Ein Beispiel mag dies an dieser Stelle illustrieren: maschinen- wie bautechnisch erwies sich die Auslegung als optimal, die Ablagerungen von Feinstoffen weitgehend verhindert. Dieses Kriterium ist schon deshalb auch ökonomisch von Relevanz, weil aufwendige Reinigungsarbeiten und die daraus resultierenden Stillstandszeiten minimiert worden sind. Einige der hier im maschinen- oder bautechnischen Sinne als "nicht zu quantifizieren" bezeichneten Kriterien sind bei Einbeziehung von ökonomischen Kenndaten leicht bzw. leichter zu quantifizieren. Dadurch würde zwar die Komplexität der Nutzwertanalyse erhöht, die Ergebnisse allerdings weiter präzisiert. Eine wissenschaftliche Unterlegung dieser vermuteten Zusammenhänge und eine Erweiterung der Nutzwertanalyse um Energieverbrauchsminimierungsziele, Reparaturkostenminimierungsziele, Wartungsaufwandminimierungsziele sowie die Berücksichtigung von Finanzierungs- und fiskalischen Zielstellungen ist sinnvoll, hätte aber den Rahmen der Arbeit gesprengt. – Darüber hinaus ist eine genauere Betrachtung der Art der Anrechnung der Feinstoffe im Restwasser in der Stoffraumrechnung für Betonmischungen sinnvoll. Bezüglich der Verarbeitbarkeit des Restbetonzuschlags sollte bei der Ermittlung des kritischen Entleerdurchsatzes die Zementart und -güte sowie eine eventuelle Temperatur- und Zeitabhängigkeit der Kornbindungserscheinung Berücksichtigung finden. Hinsichtlich der praktischen Durchführung der Nutzwertanalyse ist eine weitere Schematisierung hilfreich. Durch den Ausblick wird deutlich, dass durch die Ergebnisse dieser Arbeit neue Fragestellungen entstanden sind, die der Beantwortung bedürfen. – Kontakt: Union-Beton GmbH & Co. KG – Dr.-Ing. O.Ressel – Sudkamp 14 – 44369 Dortmund – E-mail: dialog@bbv-holding.de – Dissertation: – http://e-pub.uni-weimar.de/volltexte/2004/ 83/urn:nbn:de:gbv:wim2-20040511-831 –
Beitrag herunterladen

Ein Login ist zur Zeit leider nicht möglich.

oder alternativ ohne Konto:

Beitrag kaufen (€24,-)
beton 4/2005 ab Seite 178
Herausgeber des Artikels:
beton
bis beton 4/2022: Verlag Bau+Technik GmbH
ab beton 5/2022: Concrete Content UG
Wuppertal / Schermbeck
Tel: +49 (0) 2 02 7 69 92 69
Fax: +49 (0) 2 02 7 69 92 70