Zement-Tagung 2000
Aufzeigen von Trends und Entwicklungen für die Praxis
NN (Tagungsbericht)
Um die neuesten Entwicklungen und Trends aus Forschung, Normung und Gesetzgebung in die Praxis zu vermitteln, führt der "Verein Deutscher Zementwerke" (VDZ) in regelmäßigen Abstän-den die "Technisch wissenschaftlichen Zement-Tagungen" durch. Die diesjährige Veranstaltung fand vom 13. bis 15. September in Münster statt. – Rund 500 Teilnehmer aus dem In- und Ausland hatten Gelegenheit, sich in 19 Vorträgen über aktuelle Themen aus den Bereichen der Beton- und Zementtechnik, der europäischen Normung sowie der technischen Umsetzung umweltpolitischer Rahmenbedingungen zu infor-mieren. – Im Rahmen des Festvortrags betonte Prof. Dr. jur. M. Erhardt, Generalsekretär des Stifter-verbandes für die Deutsche Wissenschaft, die Bedeutung der Forschung als Triebkraft für mo-derne Gesellschaften im 21. Jahrhundert und sprach einige Schwachstellen der deutschen For-schungslandschaft an. Zu lange Ausbildungs- und Forschungszeiten standen dabei ebenso zur Diskussion wie Fehler bei der Hochbegabtenförderung oder die mangelnde Auseinandersetzung manches Hochschulforschers mit den Fragestellungen der Praxis. Prof. Erhardt zeichnete je-doch kein Krisenszenario, sondern zeigte bereits eingeleitete Maßnahmen und viel verspre-chende Ansätze zur Modernisierung der Forschung in Deutschland auf. Moderne Forschung müsse zukünftig immer mehr zwischen technischem Fortschritt und Zukunftsängsten vermitteln. Sie habe nicht nur die Aufgabe, wissenschaftliche Erkenntnisse zu erlangen, sondern müsse diese unmittelbar im Hinblick auf deren Nutzen und Risiken bewerten. Schließlich müsse For-schung transparent sein. Forschungsergebnisse sind modern zu kommunizieren. Im Medien-zeitalter zähle nicht mehr nur das wissenschaftliche Ergebnis, sondern immer mehr auch seine zielgruppengerechte Darstellung. – In den Fachvorträgen wurden u.a. Fragen der Leistungsfähigkeit von Beton im Verkehrswe-gebau und im baulichen Brandschutz, die Grundsätze einer nachhaltigen Entwicklung im Bau-wesen, neue Erkenntnisse in der Verfahrenstechnik der Zementherstellung sowie der umwelt-verträgliche Einsatz zementgebundener Baustoffe angesprochen. – Beton für den Bau von Verkehrswegen – Kaum ein anders Betonbauteil bzw. Bauwerk unterliegt vergleichbar scharfen Nutzungsbedin-gungen wie eine Fahrbahndecke aus Beton. Der Dauerhaftigkeit des Deckbetons kommt bei kombinierter Beanspruchung aus Verkehr (Abrieb) und Klima (Feuchte, Frost- und Frost-Tausalz-Angriff etc.) eine wesentliche Bedeutung zu, da höhere Herstellungskosten im Ver-gleich zum Asphalt durch eine längere Lebensdauer und geringere Erhaltungsaufwendungen kompensiert werden müssen. Prof. Dr.-Ing. P. Schießl stellte in seinem Vortrag die Bedeutung der Vermeidung von Rissen zur Sicherstellung einer ausreichenden Dauerhaftigkeit heraus und präsentierte hierzu neue Untersuchungen aus dem Baustoffinstitut der TU München. Ursache von Rissen können u.a. lastunabhängige Spannungen infolge von Feuchtedehnungen (Quellen, Schwinden) und Temperaturänderungen sein. Während bei einschichtiger Bauweise Eigen-spannungen nur bei Ausbildung eines Feuchte- bzw. Temperaturgradienten entstehen, können diese bei zweischichtiger Ausführung, bedingt durch unterschiedliche Eigenschaften (z. B. Wärmedehnzahlen, E-Modul) von Ober- und Unterbeton, auch bei gleichmäßigen Temperatu-ränderungen über den Querschnitt auftreten. Wird die Mindestschichtdicke des Oberbetons von derzeit 7 cm gemäß der neuen ZTV-Beton Stb 2000 auf zukünftig 4 cm herabgesetzt, können sich die Längsspannungen in der Verbundfuge rechnerisch um bis zu 30 % erhöhen. Hierdurch ergeben sich Grenzen für die Schichtdicken bzw. die Eigenschaftsunterschiede von Ober- und Unterbeton. – Wichtig ist die geeignete Wahl der Nachbehandlung. Durch die Verwendung eines reflektie-renden Nachbehandlungsmittels können die durch hohe Erhärtungstemperaturen an der Ober-fläche entstehenden Temperaturgradienten und die hierdurch hervorgerufenen Eigenspannun-gen verringert werden. – Für den Ersatz geschädigter Hauptfahrstreifen oder den Bau von Flugbetriebsflächen sind Betone mit geringen äquivalenten Wasserzementwerten und hohen Biegezugfestigkeiten geeig-net. Der baustellengerechte Einbau dieser hochfesten Betone ist beherrschbar. – Die Dauerhaftigkeit der Oberflächentextur bestimmt die Griffigkeit und die lärmmindernden Eigenschaften der Betonfahrbahndecke. Die Veränderung der Textur kann z.B. mit Hilfe 3-D-optischer Messsysteme erfasst werden. Im Labor wurden Betone einer kombinierten Beanspru-chung aus Abrieb und Frost-Tausalz-Angriff ausgesetzt. Dabei konnte eine Erhöhung der Rau-heit der Mikrotextur festgestellt werden. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Praxis steht noch aus. Abschließend wies Prof. Schießl auf die Leistungsfähigkeit von CEM-II-Zementen für den Bau von Verkehrsflächen hin. Hier kann auf eine bis zu 20-jährige gute Erfahrung zurück-gegriffen werden. – Vermeiden von Schäden infolge Alkali-Kieselsäure-Reaktion – Neue Erkenntnisse zur Frage des Auftretens einer schädigenden Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR) präsentierte Dr.-Ing. E. Siebel in seinem gemeinsam mit Frau Dr. rer. nat. Meng und Frau Dipl.-Ing. Elke Schäfer ausgearbeiteten Vortrag. Schäden infolge einer AKR können nur dann auftreten, wenn der Zuschlag alkaliempfindliche Kieselsäure enthält, der Beton einen hohen wirksamen Alkaligehalt aufweist und ausreichend Feuchtigkeit im Beton vorhanden ist oder zu-geführt wird. Dabei führt die Bildung des Alkali-Kiesel-Gels nicht grundsätzlich zu einem Scha-den. Risse und damit Schäden entstehen nur, wenn der durch die Gelbildung entstehende Quelldruck die Zugfestigkeit des Zuschlags überschreitet und sich dabei entstehende Risse in der Matrix fortsetzen. – Für die Baupraxis hielten die Referenten grundsätzlich fest, dass nur für wenige Betone mit alkaliempfindlichen Zuschlägen vorbeugende Maßnahmen gegen schädigende AKR getroffen werden müssen. Grund ist, dass die meisten Betonzusammensetzungen wegen des geringen Zementgehalts im unkritischen Bereich liegen. Eine Ausnahme bildet hierbei lediglich Beton mit dem relativ porösen und stark reaktiven Opalsandstein. – Brandschutz im Betonbau – Die Verringerung der Brandrisiken für den Menschen und die Sicherstellung der Personenret-tung gehören neben einer wirksamen Brandbekämpfung und einem Vorbeugen gegenüber einer Brandausbreitung zur Begrenzung der materiellen Zerstörungen zu den wichtigsten Zielen der Brandschutzanforderungen in den Bauordnungen. Für die Musterbauordnung liegt nun erstmals ein Konzept vor, bei dem die zukünftigen baurechtlichen Brandschutzanforderungen an Bau-stoffe und Bauteile nur noch den Personenschutz abdecken und bei dem Vorsoge für Sach-werte weitgehend der Eigenverantwortung der Eigentümer übertragen wird. Vor dem Hinter-grund dieser Entwicklung hält es Dipl.-Ing. U. Neck für erforderlich, dass die Zement- und Beto-nindustrie über die absehbaren Veränderungen aufklärt und über den unverändert hohen brandschutztechnischen Nutzen des günstigen Brandverhaltens von Betongebäuden informiert. Wie dargestellt wurde, zielen die Vorgaben der Bauministerkonferenz für die Novellierung des Baurechts u.a. auf die Baukosteneinsparung durch Erleichterungen bei den vorbeugenden bau-lichen Brandschutzanforderungen ab. Damit soll auch die Anwendbarkeit der Holzbauweise gefördert werden. – Beton - Baustoff mit Innovationspotenzial – Dr.-Ing. W. Breit (Vortragender) und Frau Dr.-Ing. M. T. Alonso Junghanns verdeutlichten die Entwicklung des Betons vom klassischen 3-Stoff- zum 5-Stoff-System moderner Hochleistungs-betone und bedienten sich begrifflich einer Analogie zur Automobilindustrie. Die besonderen Ei-genschaften (Extras) der Betone der DIN 1045 von 1988, wie der hohe Frost-Tausalz- oder Ver-schleißwiderstand, sind zu standardisierten Leistungsmerkmalen (Serienausstattung) in den Ex-positionsklassen der EN 206 und den zugehörigen deutschen Anwendungsregeln geworden. Heute werden die besonderen Merkmale von Hochleistungsbetonen mit Begriffen wie hochfest, hochdicht oder säureresistent beschrieben. Während im 3-Stoff-System der Wasserzementwert ganz wesentlich Einfluss auf die Frischbetoneigenschaften hat sowie über die Festigkeit und Dichtheit des Zementsteins die Gebrauchseigenschaften des Betons beeinflusst, können im 5-Stoff-System Festigkeit und Konsistenz voneinander unabhängig eingestellt werden. Weiterhin werden Festigkeit und Dauerhaftigkeit im 5-Stoff-System insbesondere auch durch die Beein-flussung der Kontaktzone zwischen Zuschlag und Matrix beeinflusst werden. Hierzu werden ge-zielt feinste Zusatzstoffe eingesetzt. – Eine weitere Neuentwicklung ist der so genannte Textilbeton - ein Verbundwerkstoff, mit dem die günstigen Materialeigenschaften des Betons mit denen technischer Textilien verbunden werden sollen. Die möglichen Anwendungsgebiete reichen von der nachträglichen Verstärkung von Bauteilen bis zu integrierten Schalungselementen. Prof. Dr.-Ing. M. Curbach berichtete über die wesentlichen Ziele des 1999 an der TU Dresden eingerichteten Sonderforschungsbereichs (SFB), in dem der Einsatz textiler Bewehrungen zur bautechnischen Verstärkung und Instand-setzung im Vordergrund steht. Erwähnung fand ebenfalls ein entsprechender SFB an der RWTH Aachen, der sich neben der Grundlagenforschung mit der Entwicklung neuer Bauteile aus textilbewehrtem Beton beschäftigt. An beiden Hochschulen wird das grundsätzliche Materi-alverhalten des Verbundwerkstoffs studiert, mit dem gegenüber dem klassischen Faserbeton trotz geringerer Fasergehalte die Traglast deutlich gesteigert werden kann. Charakteristische Werte wie eine Zugfestigkeit im Bruchzustand von rd. 15 N/mm2 und eine Zugbruchdehnung von rd. 15 % bei einem Faservolumen Vf von nur 1,43 Vol.-% geben einen ersten Eindruck von der zu erwartenden Leistungsfähigkeit des Baustoffes. – Neue Normen für Zement und Beton – Die Harmonisierung technischer Regelwerke zum Abbau von Handelshemmnissen im europäi-schen Wirtschaftsraum geht voran. Der Verein Deutscher Zementwerke hat an der Erarbeitung zweier wichtiger Vorschriften für das Bauwesen maßgebend mitgewirkt: Die europäischen Nor-men EN 197 für Zement und EN 206 für Beton. – Die europäische Norm für Normalzemente EN 197-1 sowie die zugehörige Überwachungs-norm EN 197-2 wurden vor kurzem endgültig verabschiedet. Sie werden durch Veröffentlichung im europäischen Amtsblatt zum 01.04.2001 als technische Spezifikationen im Sinne der euro-päischen Bauproduktenrichtlinie eingeführt. Mit der Norm für Normalzemente EN 197-1 liegt mehr als zehn Jahre nach Veröffentlichung der Bauproduktenrichtline die erste europäisch har-monisierte Norm für ein Bauprodukt vor. Als Voraussetzung für den freie Handel in Europa er-halten Normalzemente zukünftig das europäische Konformitätszeichen CE. – In seinem gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. G. Thielen erarbeiteten Vortrag wurden die beiden Nor-men von Dr.-Ing. F. Sybertz vorgestellt und in ihren Auswirkungen auf die Herstellung und An-wendung von Zement in Deutschland analysiert. Die bisherige nationale Zementnorm DIN 1164 umfasst zwölf Zementarten, die bisher lediglich bei Verwendung in Bauteilen unter Frost-Tausalz-Einwirkung gewissen Einschränkungen unterworfen waren. Für die meisten der 15 nun neu in die Norm aufgenommenen Zemente liegen dagegen kaum baupraktische Erfahrungen vor, so dass ihr Anwendungsbereich stark eingeschränkt werden muss. Dabei kann es durchaus sein, dass eine spezielle Kombination sich nachweislich günstiger verhält. In den zuständigen Gremien wird derzeit diskutiert, in welcher Form für bestimmte Zemente die Möglichkeit eines Eignungsnachweises für die maßgebenden dauerhaftigkeitsrelevanten Eigenschaften geschaf-fen werden kann. – Zurzeit machen in Deutschland nur 6 der zukünftig genormten 27 Zemente 98 % des Ze-mentversandes aus. Dies sind neben Portland- und Hochofenzement Portlandhüttenzemente und Portlandkalksteinzement. Andere Zemente, wie z.B. Portland(öl)schieferzement oder Port-landpuzzolanzement, werden überwiegend regional oder für spezifische Anwendungen einge-setzt. Die Analyse der Leistungsmerkmale und Anwendungsmöglichkeiten der verschiedenen neu in die Norm aufgenommenen Zemente zeigt, dass sich in absehbarer Zeit vermutlich keine nennenswerten Veränderungen in Angebot und Nachfrage auf dem deutschen Zementmarkt er-geben werden. – Auch zukünftig werden jedoch, trotz der wesentlich erweiterten Palette genormter Zemente, nicht alle Zemente in das Raster der Zementnorm passen. Ein Beispiel hierfür sind Spritzbeton-zemente, die besonders schnell erstarren und daher die Anforderungen der EN 197-1 nicht er-füllen. Diese werden weiterhin eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung benötigen. – Nachhaltige Entwicklung – Dr. B. Hauer gab einen umfassenden Einblick in das Beziehungsgeflecht zwischen ökologi-schen, ökonomischen und sozialen Zielgrößen für eine nachhaltig zukunftsvertägliche Entwick-lung im Bereich "Bauen und Wohnen". Der Begriff "Nachhaltigkeit", so wie er in der aktuellen Diskussion verwendet wird, wurde durch die Weltkommission für Entwicklung und Umwelt ("Brundtland-Kommission") geprägt. Die Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" des Deutschen Bundestags hat das von der Brundtland-Kommission erarbeitete Leit-bild aufgegriffen und eine nachhaltige Entwicklung durch den Anspruch charakterisiert, "die Be-dürfnisse einer wachsenden Zahl von Menschen heute und in Zukunft befriedigen zu können und gleichzeitig eine auf Dauer bewohnbare Erde zu erhalten". Dabei wurde der Bereich "Bauen und Wohnen" in das Zentrum einer "nachhaltigen Entwicklung" gerückt und typische Zielkon-flikte zwischen den ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielgrößen aufgezeigt. Eine sol-che Fragestellung ist z.B., wie die Bildung von Wohneigentum von einer erhöhten Flächeninan-spruchnahme abgekoppelt werden kann. Dr. Hauer ging in seinem Vortrag der Frage nach, wel-che konkreten Maßnahmen denkbar sind bzw. schon getroffen werden, um das Bauwesen auf das Leitbild "Nachhaltigkeit" auszurichten. Als Beispiel nannte er den Entwurf des Leitfadens "Nachhaltiges Bauen" des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. – Recycling von Frischbeton – Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung orientiert sich die Industrie an den ökologi-schen Zielen der Ressourcenschonung und der Abfallvermeidung sowie der Minimierung um-weltrelevanter Emissionen bei der Herstellung und Nutzung von Baustoffen. Die damit verbun-denen Anstrengungen sind wesentliche Herausforderungen für die Unternehmen. In diesem Zusammenhang wurde die Verwendung von Restwasser als Zugabewasser für Beton in Deutschland zum Stand der Technik entwickelt. Lediglich für Luftporenbetone und hochfeste Betone wurde die Verwendung von Restwasser im Regelwerk aufgrund mangelnder Erfahrun-gen bisher ausgeschlossen. Dipl.-Ing. V. Hanke und Dipl.-Ing. J. Rickert berichteten über die Notwendigkeit und die Technologie des Frischbetonrecyclings sowie über ein im Forschungsin-stitut der Zementindustrie durchgeführtes Forschungsvorhaben. In diesem Programm wurde der Einfluss unterschiedlicher Restwässer auf die Konsistenz und den Luftgehalt des Frischbetons sowie wesentliche Festbetoneigenschaften (Druckfestigkeit, Frost- und Frost-Tausalzwiderstand usw.) untersucht. Normal- und hochfeste Betone sowie Luftporenbetone wurden mit praxisnah im Labor hergestellten Restwässern und zum Vergleich mit Trinkwasser hergestellt. –
Beitrag herunterladen

Ein Login ist zur Zeit leider nicht möglich.

oder alternativ ohne Konto:

Beitrag kaufen (€24,-)
beton 12/2000 ab Seite 718
Herausgeber des Artikels:
beton
bis beton 4/2022: Verlag Bau+Technik GmbH
ab beton 5/2022: Concrete Content UG
Wuppertal / Schermbeck
Tel: +49 (0) 2 02 7 69 92 69
Fax: +49 (0) 2 02 7 69 92 70